Kettenbefristungen – Sieben Verträge in 22 Jahren sind wohl rechtmäßig

Über 22 Jahre erhielt eine Mitarbeiterin einen befristeten Vertrag nach dem anderen – das schreit ja förmlich nach Rechtsmissbrauch. Das Bundesarbeitsgericht urteilte aber kürzlich, dass so ein Vorgehen in Ordnung ist, wenn die Befristungen der wissenschaftlichen Qualifikation dienen.

Derartige mehrfache Befristungen von Arbeitsverträgen für Wissenschaftler an Hochschulen sind nicht kategorisch rechtswidrig – auch wenn sie grundsätzlich einen Rechtsmissbrauch darstellen können. Das Bundesarbeitsgericht stellte kürzlich klar, dass Kettenbefristungen über einen langen Zeitraum rechtmäßig sind, wenn sie der Qualifikation der Wissenschaftler dienen.

Die Klägerin war über 22 Jahre durchgehend an der Universität Leipzig beschäftigt. Während der ersten vier Befristungen war sie zur Anfertigung ihrer Doktorarbeit, später dann zur Habilitation als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. 1996 folgte dann die Verbeamtung auf Zeit als wissenschaftliche Assistentin. Schließlich wurden für die Zeit bis 2011 zwei auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung gestützte befristete Arbeitsverträge geschlossen.

Als der letzte Vertrag schließlich auslief und nicht mehr verlängert wurde, klagte sie. Das sächsische Landesarbeitsgericht urteilte, dass sich aus dem langen Befristungszeitraum von über 22 Jahren eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeiten im Hochschulbereich ergibt. Damit wurde der Klägerin recht gegeben und ihr letzter befristeter Vertrag für unwirksam erklärt.

Die Universität wehrte sich jedoch gegen dieses Urteil – das Bundesarbeit musste daher entscheiden. Weite Teile dieses Urteils nehmen die Begründung des Landesarbeitsgerichts auf. Trotz eines rechtmäßigen Sachgrundes zur Befristung kann eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung nicht sofort ausgeschlossen werden. Hierfür sprechen insbesondere auch die lange Gesamtdauer der Beschäftigung sowie eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen.

Für das Beschäftigungsverhältnis war aber nicht das Teilzeit- und Befristungsgesetz maßgeblich, sondern das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Dieses Gesetz geht liberaler mit Befristungen um. So sind Befristungen von bis zu sechs Jahren für die Erlangung des Doktorgrades und grundsätzlich weitere sechs Jahre für die Habilitation möglich. Im vorliegenden Fall war aber selbst dieser Zeitraum überschritten.

Das Gericht prüft im Rahmen solcher Klagen stets nur die letzte Befristung bzw. den letzten Arbeitsvertrag. Das Bundesarbeitsgericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die letzte Befristung nicht rechtsmissbräuchlich ist, da sie der wissenschaftlichen Qualifikation der Klägerin gedient habe. Außerdem ist die Drittmittelfinanzierung als rechtmäßiger Sachgrund zur Befristung denkbar.

Eine abschließende Entscheidung fällt das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht – auch wenn sich die Tendenz deutlich erkennen lässt. Das Landesarbeitsgericht hat nochmals über die Befristung zu entscheiden. Falls das Urteil zum Nachteil der Klägerin ausfällt, hat der Freistaat Sachsen den letzten Vertrag zurecht nach 22 Jahren der Beschäftigung einfach auslaufen lassen.

thumbnail-125x125Der Beitrag wurde von unserem Kollegen und Fachanwalt für Arbeitsrecht Axel Pöppel geschrieben. Seine Kanzlei Pöppel Rechtsanwälte liegt in unserem Nachbarstadtteil Hamburg-Barmbek und ist auf das Arbeitsrecht spezialisiert.

 

AU-Bescheinigungen und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Der für das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erforderliche kollektive Tatbestand ist nicht nur gegeben, wenn der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern auferlegt, bereits vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es genügt, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die über eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtsausübung hinausgeht und kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt.

§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG stellt keine das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Satz 3 EFZG stellt keine das Mitbestimmungsrecht ausschließende Regelung dar, weil es dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem vierten Tag nachzuweisen ist. Auch in § 96 Abs. 1 BBG wird nicht abschließend bestimmt, auf welche Weise Dienstunfähigkeit infolge von Krankheit nachzuweisen ist. § 31 des Manteltarifvertrags der Deutschen Telekom AG vom 01.03.2004 enthält ebenfalls keine abschließende Regelung, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausschließt.

Der Betriebsrat kann die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen (hier: Anspruch, daß der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmern und Beamten mitteilt, daß die ihnen erteilten Attestauflagen unwirksam sind).

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluß vom 19.06.2012 – 3 TaBV 2149/11

Dieser Artikel wurde geschrieben von Dirk Breitenbach – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Wandsbek (Hamburg). Weitere grundlegende hilfreiche Informationen zum Thema Arbeitsrecht finden Sie auch in diesem Artikel der Wikipedia.

Verpflegungskosten bei einer Betriebsversammlung

Der Betriebsrat eines Unternehmens hatte für die anstehende Betriebsversammlung Verpflegung im Wert von 40 Euro organisiert. Der Arbeitgeber hatte jedoch bereits zuvor eine Erstattung der Kosten abgelehnt. Durch die Betriebsversammlungsdauer von 7 Stunden war der Betriebsrat der Auffassung, es müsse Verpflegung für die Teilnehmer gestellt werden.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg kam in seinem Urteil vom 25. April 2012 zu der Auffassung, dass eine Erstattung der Kosten weder aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen, noch aus zivilrechtlichen Gründen erfolgen kann. Die Bewirtung der Teilnehmer sei dabei weder Aufgabe des Betriebsrates, noch des Arbeitgebers. Wie bei einem normalen Arbeitstag üblich, müsse jeder Arbeitnehmer für sein eigenes leibliches Wohl sorgen. Gibt es ausreichende Verpflegungsmöglichkeiten, so müsse der Arbeitgeber lediglich für angemessene Pausen sorgen.

Eine Ausnahme könne nur dann gelten, wenn die räumliche und zeitliche Lage der Betriebsversammlung selbst Kosten für Verpflegung verursache. Eine Kostentragung hingegen sei beispielsweise nur für Fahrtkosten gegeben.

Für Betriebsversammlungen sollte somit vermeidbare Kosten vermieden werden. Handelt der Betriebsrat jedoch großzügiger, kann es durchaus der Fall sein, dass er auf diesen Kosten „sitzen bleibt“.

Quelle: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 25. April 2012- 4 TaBV 58/11